Bericht Institutsabend am 07.11.2024
Beim hybriden Institutsabend des Diakoniewissenschaftlichen Instituts am 7. November 2024 nahm Pfr. Ulrich Lilie, ehemaliger Präsident der Diakonie Deutschland und heutiger Theologischer Vorstand der Graf-Recke-Stiftung in Düsseldorf, sein Publikum mit auf eine eindringliche Reise durch die aktuellen Herausforderungen der Diakonie in einer vielfältiger werdenden Gesellschaft. In seinem Vortrag zum Thema „Vielfalt als normative und strategische Herausforderung der Diakonie“ zeichnete Lilie ein präzises Bild davon, was es bedeutet, Vielfalt nicht nur anzuerkennen, sondern als zentrale Aufgabe für das soziale Miteinander zu gestalten. Mit klaren Thesen, nachdenklichen Beispielen und einem kritischen Blick auf die gesellschaftlichen Entwicklungen betonte er die Rolle der Diakonie als Brückenbauerin – in einer Zeit, in der Differenz und Vielfalt zugleich eine Chance und eine Herausforderung darstellen.
In seinem Vortrag stellte Herr Lilie die These auf, dass Deutschland auf die Diversität der Gesellschaft bislang unzureichend vorbereitet ist. Beispielsweise ist die Integration und Unterstützung von Migranten und Migrantinnen nicht immer gelungen, wie problematische Entwicklungen in manchen Städten zeigen. Lilie hob jedoch ein positives Beispiel hervor: das Sozialraum-Projekt „Kiel-Gaaden“, bei dem die Diakonie und die Arbeiterwohlfahrt gemeinsam Maßnahmen zur Förderung eines interkulturellen Miteinanders umgesetzt haben. Hier, so Lilie, zeige sich, dass gut gemanagte Diversität mit hoher Zufriedenheit und Gemeinschaftssinn einhergehen können. Dafür benötigt es jedoch auch gesellschaftliches Engagement.
Ein weiterer Fokus seines Vortrags lag auf der Repräsentationslücke und dem schwindenden Einfluss von Institutionen, die traditionell gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern. Herr Lilie beschrieb die Gesellschaft als zunehmend geprägt von Singularitäten, in der sich Menschen eher abgrenzen und Individualität betonen. Dies stellt die Frage, wie ein neues Narrativ für Zusammenhalt und Verbundenheit entstehen kann. Hier müsse die Kirche ihre Rolle neu denken und ihre diakonischen Aufgaben auch als soziale Bindeglieder in einer pluralistischen Gesellschaft wahrnehmen.
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, der wachsenden Vielfalt und ungleicher werdenden Lebensverhältnisse formulierte Lilie die Notwendigkeit dritter Orte. Dies sind Räume jenseits von Familie und Arbeit, an denen Menschen, auch unterschiedlicher Herkunft und Lebensentwürfe, in Kontakt kommen und eine gemeinsame Basis des Miteinanders finden können. Die Diakonie solle sich als Akteurin an solchen Begegnungsorten und Plattformen engagieren und dabei auch neue Bündnisse mit der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft eingehen.
Zum Abschluss rief Lilie dazu auf, Orte zu schaffen, an denen Menschen in ihrer Verschiedenheit wahrgenommen werden und aushandeln können, wie sie miteinander leben wollen. Ein Zitat des Philosophen Adorno verdeutlicht seine Vision: „Ohne Angst verschieden sein können.“ Lilie betonte, dass es die Aufgabe der Kirche und Diakonie sei, sich in einer vielfältigen Welt auf das Wesentliche zu besinnen: den Dienst am Nächsten.
Im Anschluss an den Vortrag schloss sich eine lebendige Diskussion über die Rolle der Diakonie in einer vielfältigen Gesellschaft und den notwendigen Wandel für ein inklusives Miteinander an.
Anna Breiter